© by Martin Grießhaber, Berghofstr. 14, 78144 Schramberg Tennenbronn
Gastrecht
In der ganzen Planungs- und Bauzeit seit dem Brandunglück 1901
gestand die katholische Kirchengemeinde den evangelischen
Glaubensbrüdern das Recht zu, ihre Kirche für Gottesdienste und
Kasualien zu nutzen. Angesichts der langen und tief greifenden
Religionsschwierigkeiten der vorgehenden Jahrhunderte zeugt diese
Gastfreundschaft von enormer christlicher Nächstenliebe und
Toleranz. Die evangelische Kirchengemeinde konnte sich ab dem
07.08.1967, als der Neubau der katholischen Kirche begann,
revanchieren. Was die Mitbenutzung der evangelischen Kirche durch
die katholische Kirchengemeinde neben den genauen
Terminabsprachen alles beinhaltete, benennt ein Schreiben des
katholischen Pfarramtes vom 02.06.1967: Unter dem Treppenaufgang
zur Empore wurde ein Beichtstuhl eingerichtet. Eigens dafür war eine
Belüftung und ein Stromanschluss in dem kleinen Putzkämmerchen
geschaffen worden. Auf einem kleinen Holzpodest, das hinter dem
Altar angebracht wurde, konnte der Priester die Messe zum Volk hin
gerichtet feiern. Dazu wurden Altarkreuz und Bibel auf einem
zusätzlich geschaffenen Altartisch untergebracht, damit für die
Messfeier genügend Platz auf dem Hauptaltar verblieb. Während der
Gottesdienste und Beichtstunden stellte man ein bewegliches
Tabernakel neben den Altar. In der ganzen Zeit der Mitbenutzung
übernahm die katholische Kirchengemeinde die Reinigung der Kirche
und stellte die Putzmittel. Auch finanziell einigte man sich auf eine
anteilige Begleichung der Strom- und Heizkosten.
Dieses rücksichtsvolle Vorgehen und die korrekte Umsetzung der
besprochenen Maßnahmen hat beiden Seiten viel Vertrauen und
Wohlwollen abverlangt. Zugleich hat die positive Erfahrung der
erneuten simultanen Nutzung eines Gottesdienstraumes den
respektvollen Umgang miteinander gefördert und somit vielleicht den
Grundstein für den späteren Zusammenschluss der beiden politischen
Gemeinden gelegt.
Übigens…
Während der Bauzeit der neuen evangelischen Kirche waren zwei
Pferdefuhrwerke voll damit beschäftigt Sandsteine aus dem
Steinbruch "Remsbauer Kapf" zur Baustelle zu transportieren.
Turbulenzen und Konflikte
Komplizierte Verhältnisse
Benediktinermönche aus St. Georgen erbauten vor 1179 eine kleine
Holzkirche in Tennenbronn, die 1453 durch eine größere, gemauerte
Kirche ersetzt. Nach dem Zerfall der Herrschaft Falkenstein in der Mitte
des 15. Jahrhunderts war Tennenbronn ein regelrechter territorialer
Flickenteppich. Teile gehörten zur neu gegründeten Herrschaft
Schramberg, die an Vorderösterreich angelehn war. Andere Teile
gehörten zur Herrschaft Württemberg und auch das Kloster St.
Georgen, das unter Württembergischer Verwaltung war, hatte noch
Besitz in Tenenbronn. Die Besitzungen wurden in 3 Stäbe
zusammengefasst. Bei der Ausübung der Hochgerichtsbarkeit
wechselten sich Schramberg und Württemberg in jährlichem Rhythmus
ab.
Als sich Württemberg 1536 der Reformation anschloss wurde es
kompliziert. Im Tennenbronner Vertrag von 1558 einigte sich
Schramberg und Württemberg. Dazu gehörte, dass Württemberg für 30
Jahre die Pfarrei besetzen konnte. 1565 wurde mit dem ersten Pfarrer
Georg Kober eine evangelische Pfarrei in Tennenbronn gegründet. Der
Besuch evangelischer Gottesdienst war der katholischen Bevölkerung
ab den 1570er Jahren von der Obrigkeit verboten. Der Friedhof wurde
noch gemeinsam genutzt.
Von 1589 bis 1618 weigerte sich Württemberg die Pfarrei
zurückzugeben und verwies auf das Patronatsrecht des unter
Württembergischer Verwaltung stehenden Kloster St. Georgen. Es
folgte der 30 jährige Krieg, in dem der Besitz der Pfarrkirche mehrfach
wechselte. Im Westfälischen Frieden von 1648 kam Kloster St. Georgen
und dadurch die Pfarrei in Tennenbronn endgültig in evangelische
Hand. Die Tennenbronner konnten sich ein “Simultaneum“, d. h. eine
gemeinsame Nutzung der Pfarrkirche vorstellen, was vom Herzogtum
Württemberg abgelehnt wurde. Erst 1660 klang der über ein
Jahrhundert geführte Kampf um den Besitz der Pfarrkirche in
Tennenbronn aus.
Die katholische Bevölkerung musste nach Mariazell und Lauterbach
zum Gottesdienst. Der Weg war beschwerlich und im Winter oft
unmöglich zu begehen. Man versuchte sich zu behelfen mit dem Bau
der Ramsteiner Kapelle 1754. Eine katholische Pfarrei wurde 1788 mit
Pfarrer Alois Neff gegründet. Auf dem Dachboden des
Wiesenbauernhofs wurde ein privisorischer Gottesdienstraum
eingerichtet. Nachdem der Hof 1792 abbrannte versammelten sich die
Katholiken in einer barrakenartigen Notkirche, die 1848 durch eine im
sogenannten Rundbogenstil erbaute Kirche abgelöst wurde.
Die Menschen haben sich im Laufe der Zeit „auseinandergelebt“, was
sich unter anderem in den unterschiedlichen Trachten und auch im
unterschiedlichen Dialekt der katholischen und evangelischen
Bevölkerung zeige. Als nach den napoleonischen Kriegen 1810
Deutschland neu geordnet wurde, wurde Tennenbronn dem
Großherzogtum Baden zugeordnet, allerdings als die beiden
politischen Gemeinden Katholisch Tennenbronn und Evangelisch
Tennenbronn, die erst 1922 vereinigt wurden. Vielleicht hat der
Dorfbrand von 1901, bei dem die evangelische Kirche und viele
benachbarte Gebäude abgebrannt sind, dazu beigetragen, dass sich die
Menschen wieder einander annäherten, denn die darauf folgende
gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistung war beispielhaft und
überaus großzügig.