© by Martin Grießhaber, Berghofstr. 14, 78144 Schramberg Tennenbronn
Die Orgel
Im Jahr 1903 entschied man sich einstimmig für die Anschaffung einer
Orgel, die vom Freiburger Orgelbauer August Merklin errichtet wurde.
Gemessen an den damals üblichen einmanualigen Dorfkirchenorgeln
des Schwarzwaldes, zählt sie durchaus zu den "größeren" Werken, denn
immerhin entschied man sich für 12 Register, verteilt auf zwei Manuale
und Pedal.
Der landeskirchliche Orgelbaukommissär A.Barner schreibt in seinem
Abnahmegutachten u.a., daß die Orgel solid erstellt worden ist, das
Pfeifenwerk von gutem Material sei und auch die Intonation der
einzelnen Register dieselben gut in Klangfarbe und Toncharakter
getroffen hätten; das Werk habe Kraft und gute Tonfülle. Wegen der
beiden Oktavkoppeln attestiert er dem Instrument, daß man glauben
könne, es hätte statt lediglich zwölf Registern sechzehn oder achtzehn.
Das „Piano“ sei von reizender Wirkung und Barner hebt besonders den
wunderbaren Klang der — 1956 leider aus Unverstand eliminierten —
Aeoline 8‘ hervor. Das Orgelwerk mache dem Orgelbaumeister alle Ehre.
Soweit wir heute wissen konnte die Beschlagnahmung von Orgelpfeifen
in den beiden Weltkriegen weitestgehen abgewendet werden. 1940
ergab sich die Möglichkeit für 220 RM einen Motor mit Ventilator für die
Windversorgung der Orgel zu erwerben. Der Kirchengemeinderat
entscheidet sich mutig für die Anschaffung des Motors, da es sich ja
hierbei weder um eine Neuanschaffung, die den Produktionsmarkt
belastet, noch um einen schwierigen Einbau, der Baumaterial erfordert,
handelt. Die Tretanlage sollte aber wegen häufigerer Stromsperren
erhalten bleiben.
Die Orgel, die heute so harmonisch das Rosettenfenster hervorhebt sah
ursprünglich ganz anders aus. Die Metamorphose wird hier beschrieben.
Dabei wird auf die Schrift von Helmut Franke „Eine Orgel für
Tennenbronn“ zurückgegriffen.
Umbau 1955/56:
Aufgrund der gute Finanzlage der Gemeinde hat der
Kirchengemeinderat 1955 eine umfassende Modernisierung der Orgel
beschlossen. Hierbei wurden die meisten Orgelpfeifen wiederverwendet.
Auf diese Weise ist immerhin noch über 2/3 des ursprünglichen
Bestandes der Merklin-Orgel vorhanden, wenn auch mit der
Einschränkung etlicher zum Teil deutlich umgestalteten Pfeifen. Der
Auftrag geht an Orgelbauer Steinmeyer. Dabei wird der Tastenumfang
im Manual um einen Ganzton, im Pedal um drei Halbtöne erweitert. Die
Register werden auf Taschenladen gesetzt und mit einer
elektropneumatischen Traktur versehen. Preis dieser Arbeiten: 16.170,--
DM zuzüglich Gehäusearbeiten, Summa 17.710,-- DM. Im Mai 1956 wird
die August Merklin-Orgel von 1903 demontiert. Die Einweihung der
„neuen Orgel“ findet am 16.September statt, rechtzeitig vor der am
23.September beginnenden Visitation.
Die Kirchengemeinde Tennenbronn besitzt nicht irgendeine Orgel,
sondern ein Stück höchst lebendiger 100jähriger Geschichte; möge die
Merklin und Steinmeyer-Orgel noch lange erklingen und die Gemeinde
erfreuen — und mögen Fehler der Vergangenheit, in der das Neue, Andere
und nur vermeidlich Bessere und nicht das Bewährte, Kostbare,
Bewahrenswerte im Blick war, durch das kluge Handeln weiser Ältester
und Gemeindegliedervermieden werden.
Helmut Franke, Kantor
St.Georgen, im April 2003
Die komplette Abhandlung als Druckversion (650 KB)